Wir sind von Cahama auf dem Weg zurück nach Hause, nach Oncocua. Langsam tritt die Abenddämmerung ein und wir sehen endlich unseren Berg, den Oncocua. Geschafft. Das letzte Stück geht über eine gut 700 m lange und 120 Meter breite versteppte Ebene ohne Baumbestand. Eine Fahrspur zeigt uns den etwas holprigen Weg. Joan klärt mich auf, dass wir gerade über unseren Flugplatz fahren. Man sieht mir an, dass ich ihn doch etwas verdutzt anschaue. Morgen bekommen wir ja Ministerbesuch aus unserer Provinz-Hauptstadt Ondjiva, und der landet dann genau hier. Ich hatte ehrlich gesagt einen Flugplatz bisher etwas anders in Erinnerung. Aber es sind alles erfahrene Buschpiloten, die mit ihren kleinen Cessna-ähnlichen Flugzeugen wahrscheinlich überall auf dieser Welt runterkommen und sicher landen. Diese Landung will ich auf keinen Fall verpassen.
Es ist Samstag ... freier Samstag. Das war bisher nicht immer selbstverständlich. Meine Vorgänger hatten bisher den Samstag als Arbeitstag für unsere Werkstatt angesetzt, wie in alten Kolonialzeiten. Ich habe dann die 5 Tage Arbeitswoche eingeführt und damit unsere Arbeitszeit der gesetzlichen 5-Tage-Arbeitswoche in Angola angepasst.
Nach dem Frühstück erhalten wir schon die ersten Meldungen, dass der Minister in einer halben Stunde landet. Ich sehe es angolanisch gelassen und mache mich erst nach gut eineinhalb Stunden auf den Weg zum Flugplatz. Flugplatz, ich kann es immer noch nicht recht glauben. Der gesamte Ort ist unterwegs dorthin, und nicht nur der Ort, sondern auch die Traditionellen, die in der Mata, im Busch leben. Immerhin umfasst das Einzugsgebiet Corocua ca. 15.000 Einwohner. Die meisten davon gehören unterschiedlichen Volksgruppen an, die auch in ihren Traditionen staatlich gefördert werden. Hunderte warten hier mit Spannung auf dieses Ereignis, denn ein Minister, der zu Besuch kommt, das passiert nicht alle Tage. Erst recht nicht ein Flugzeug, was viele noch nie zuvor gesehen haben. Die Zeit, die man wartet, wird genutzt, um sich zu unterhalten und Neuigkeiten auszutauschen. Viele haben sich schon monatelang nicht mehr gesehen. Alle haben sich fein gemacht, und die Gesichter geben ein strahlendes Lächeln wider. Ich sehe fröhliche Menschen, die aus dem wenigen, was sie haben, verstehen etwas zu machen. Sie leben. Die Traditionellen vertreiben sich die Zeit mit Gesang und Tänzen. Ein einmaliges Erlebnis für mich und meine Kamera. Ulrike und Doktorchen sind auch eingetroffen. Es geht auf Mittag zu und die Sonne brennt erbarmungslos. Schön dass ich vergessen habe, mein Cape mitzunehmen. Ich ahne böses.
Jetzt erkennt man am Himmel den kleinen Flieger, der erst einmal eine Ehrenrunde über unsere Köpfe dreht. Er landet wie man so landet und das noch völlig unspektakulär für mich. Mutimbe, der Ministerpräsident, und seine Begleitung nebst Kamerateam werden von uns begrüßt. Das gesamte Gouverno und der Minister fahren dann in das Gästehaus. Wir verweilen noch etwas auf dem Flugplatz. Die Cessna wird von den Einheimischen im respektvollen Abstand begutachtet und wirkt irgendwie etwas befremdend. Die Stimmung bricht aber nicht ab. Ich streiche mir etwas durch mein raspelkurzes Haar und frage mich, ob man so ein Gehirn beim Laufen auch kochen kann. Das Gefühl habe ich jedenfalls gerade.
Der Besuch des Ministers gilt nicht nur unserem Hilfsprojekt, sondern mit im Gepäck ist der neue Bürgermeister für Oncocua, Francesco Fernando Filipes. Ein schmaler und dennoch kräftiger Mann, Mitte Vierzig, mit einem kleinen verschmitzten Lächeln. Ein paar Stunden später lernen wir ihn persönlich kennen. Auf mich macht er einen sehr guten Eindruck.
Man merkt schon, dass dieser Tag etwas Besonderes für unseren Ort ist und eine kleine festliche Stimmung sich breit macht. Am Abend treffen wir uns wieder im Ortskern mit unseren kleinen Läden bei einem Bier, und der einzige Fernseher bietet sein tägliches Programm mit schrecklichen Telenovelas aus Brasilien. Ein paar Frauen verkaufen selbstgebrautes Bier, andere sitzen an kleinen Feuerstellen und grillen Hähnchenteile. Ich ziehe aber ein gut gekühltes Flaschenbier vor. Das selbstgebraute Bier ist für Europäer etwas gewöhnungsbedürftig. Ich finde es gar nicht so schlecht, etwas süßsäuerlich, aber mit fatalen Ausmaßen am nächsten Tag, wenn man ein Bierchen zu viel genascht hat. Heute gibt es auch eine Stunde länger Strom für unser Oncocua. Was so ein Besuch doch alles ausmacht. Doktorchen, der sich auch kurz dazu gesellte, macht sich auf seinen Heimweg. Ich wohne ja nur gerade mal eine Casa weiter und bleibe noch etwas.
Der Generator wurde gerade abgeschaltet und ich zünde die Petroleumlampe an. Jesse mit ihrer kleinen Tochter kam noch auf Besuch in unserer Casa vorbei, und alle Neuigkeiten von heute werden erst einmal genau besprochen. Jesse hat sich das Schneidern angeeignet, und ich glaube, sie hat auch die einzige Nähmaschine im Ort. Nascimento kommt auch gerade von seinem täglichen Kontrollgang. Es war ein wirklich schöner Tag.